Wohnbauförderung im Vergleich: Was Tirol von Vorarlberg lernen kann

8. Mai 2018

Wer in Österreich Wohnraum schaffen oder kaufen möchte, steht nicht nur vor der Herausforderung steigender Baukosten – auch die Fördermodelle unterscheiden sich je nach Bundesland erheblich. Besonders deutlich wird das im Vergleich zwischen Tirol und Vorarlberg. Das westlichste Bundesland trumpft mit einem besonders attraktiven Modell auf, welches sich auch für Tirol eignen würde.

Wie finanziere ich meinen Wohnraum? Rund um diese Thematik gab die Landesinnung Bau eine Studie über die aktuelle Situation in der Wohnbauförderung bei der GAW (Gesellschaft für Angewandte Wirtschaftsforschung KG) in Auftrag. Die Ergebnisse sollen unter anderem aufzeigen, welche Unterschiede im Erwerb einer Wohnung zwischen den drei Bundesländern Tirol, Vorarlberg und Salzburg vorherrschen. Das Fazit ist ernüchternd – Tiroler Haushalte müssen beträchtlich tiefer in die Geldtasche greifen als ihre Nachbarn.

„Würden Bedingungen wie die aktuellen Vorarlberger Einkommensgrenzen auf Tirol angewandt, wären in Tirol zusätzlich 17.500 Haushalte anspruchsberechtigt.“

Mag. Stefan Jenewein, Gesellschaft für Angewandte Wirtschaftsforschung

Tirol: Strenge Kriterien für Wohnungserwerb

Wer in Tirol eine Eigentumswohnung kaufen will, kann unter eingeschränkten Voraussetzungen eine Wohnbauförderung beantragen. Ob ein Wohnungskauf förderwürdig ist, hängt unter anderem vom Einkommen und dem Eigenmittelanteil (mindestens 5 %) ab. Zudem muss sie als Hauptwohnsitz gemeldet werden, energieeffizient gebaut und darf maximal 150 m² groß sein. Gewährt wird entweder ein zinsgünstiger Kredit oder ein nicht rückzahlbarer Zuschuss in Form eines Wohnbauschecks. Um die tatsächlichen Mehrkosten abzufedern – besonders im Neubau – reicht dies oftmals nicht aus. Mag. Stefan Jenewein von der GAW belegt den Mehraufwand laut Studie mit dem folgenden Ergebnis: Die monatliche Belastung aus der Finanzierung der Eigentumswohnung ist in Tirol um 379 Euro höher als in Vorarlberg und um 129 Euro höher als in Salzburg. Ausschlaggebend für diese gravierenden Unterschiede sind die in Tirol festgelegten Höchstgrenzen für Einkommen und Kaufpreis. Diese Nachteile für den Tiroler Haushalt wiegen umso schwerer, als gleichzeitig die Einkommen in Tirol geringer sind als in Vorarlberg und Salzburg.

Vergleich Tirol mit Vorarlberg im Referenzszenario: Kauf einer 65 m2 großen Wohnung (2-Personen-Haushalt ohne Kinder) bei einem Kaufpreis von 6.900 € pro m2 und einem Gesamtpreis der Wohnung von 448.500 €

Vorarlberger Förderstrategie als Best Practice

Zinsfreie Darlehen, verpflichtende Energieberatung und Bonuspunkte für regionale Materialien sind zentrale Bausteine im Vorarlberger Modell. Wohnraumschaffende in Vorarlberg profitieren von einem bis zu 220.000 Euro zinsfreiem Darlehen und einem Zuschuss von 62.000 Euro, der nicht zurückgezahlt werden muss. Die hohe Förderquote reduziert zudem die monatlichen Finanzierungskosten drastisch. Würden Bedingungen wie die aktuellen Vorarlberger Einkommensgrenzen auf Tirol angewandt, wären in Tirol zusätzlich 17.500 Haushalte anspruchsberechtigt.

Verdichtetes Bauen: Ein unterschätzter Hebel

Jenewein bringt einen weiteren spannenden Aspekt ein: Durch eine Erhöhung der Nettonutzflächendichte (von 0,45 auf 0,65) in Mehrwohnungshäusern können die Kosten massiv gesenkt werden. Konkret ergibt das bei einer 65 m²-Wohnung eine Ersparnis von 44.400 Euro.

Belastung durch staatliche Abgaben

Die Studie zeigt auch die Zusammensetzung der Gesamtkosten einer Wohnung deutlich auf:

  • 44,1 % entfallen auf Errichtungskosten
  • 15,2 % auf den Grundstückspreis
  • 40,7 % auf Steuern, Abgaben, Gebühren und Sozialversicherungsbeiträge

Demnach wird nahezu die Hälfte der Kosten staatlich verursacht. Verständlich, dass die Forderung nach Reformen immer lauter wird. Die Landesinnung Bau sowie Experten wie Jenewein sprechen sich dafür aus, das Vorarlberger Fördermodell auch in Tirol zu übernehmen.  Der Vergleich zeigt klar: Während Vorarlberg mit einem durchdachten Fördersystem nachhaltiges und leistbares Wohnen unterstützt, bedarf es in Tirol einem dringenden Handlungsbedarf seitens des Landes.

Neueste Artikel von Tiroler Bauwirtschaft

Tiroler Bautag skizziert Lösungen für leistbares Wohneigentum

Am 6. März 2025 fand der 17. Tiroler Bautag in Innsbruck statt. Im Fokus stand die Frage, wie der Zugang zu leistbarem Wohneigentum für die Mittelschicht verbessert werden kann. Experten präsentierten praxisnahe Lösungsansätze, um den Tiroler Wohnungsmarkt zukunftsfähig zu gestalten.
AdobeStock_ronstik

Verdichten und Nachnutzen

Für verdichtetes Bauen müssen die zulässigen Baudichten in der Raumordnung erhöht werden. „Nur dann kann auch entsprechend kompakt und flächenschonend gebaut werden. Das verringert den Anteil der Grundkosten bei der Gebäudeerrichtung und ist damit ein Beitrag zum leistbaren Wohnen“, betont Patrick Weber. Zur

Tiroler Wohnbauförderung neu denken

Eine Anpassung der Wohnbauförderung und die Förderung des Wohnbaus sind essenziell, um die Tiroler Bauwirtschaft zu stabilisieren, leistbaren Wohnraum zu schaffen und langfristig die regionale Wirtschaft zu stärken.

Faire Vergabepraxis für KMU

Damit neben den „Big Playern“ auch KMU in öffentlichen Vergabeverfahren berücksichtigt werden, pocht die Tiroler Landesinnung Bau auf Unterstützung der Gemeinden. Eine Fibel dient als praktischer Wegweiser.

5 Wege zu leistbarem Wohnraum in Tirol

Wohnraum muss wieder leistbarer werden – auch für die Mittelschicht. Die Landesinnung Bau Tirol setzt sich aktiv für Maßnahmen ein, die den Wohnungsmarkt entlasten und Bauen wieder erschwinglich machen. Fünf zentrale Lösungsansätze stehen dabei im Fokus.
Vorheriger Artikel

5 Wege zu leistbarem Wohnraum in Tirol

Nächster Artikel

Faire Vergabepraxis für KMU

Don't Miss

Nachhaltigkeit am Bau: Vom Trend zur Notwendigkeit

Die Burtscher GmbH setzt seit 50 Jahren auf Qualität, Innovation

Tiroler Bautag skizziert Lösungen für leistbares Wohneigentum

Am 6. März 2025 fand der 17. Tiroler Bautag in