Ernst Derfeser leitet das gleichnamige Vomper Familienunternehmen seit 2001 gemeinsam mit seiner Schwester Andrea Derfeser bereits in dritter Generation. 1928 wurde der Betrieb von seinem Großvater Ernst Derfeser gegründet. Es begann damit, Schottertransporte mit Pferdefuhrwerken durchzuführen. Von 1984 bis 2001 wurden unter der Leitung seines Vaters weitere Geschäftsbereiche ausgebaut, darunter Recycling und Entsorgung. Es folgte das erste Transportbetonwerk in Vomp. Heute ist das Unternehmen stark im Bauhilfsgewerbe tätig.
Wie hat sich der Erdbau in den vergangenen Jahren verändert?
Erdbau ist in den letzten Jahren viel komplexer geworden. Der technologische Fortschritt, neue Maschinentechnik und effizientere Baumethoden haben zu einer höheren Produktivität und Genauigkeit geführt. Beispielsweise sind heutzutage zahlreiche unserer Baumaschinen mit 2D- oder 3D-Systemen ausgerüstet, die ein schnelleres, genaueres und günstigeres Bauen, etwa von Speicherteichen, Skipisten oder Deponien, ermöglichen.
Welche spezifischen Herausforderungen sehen Sie derzeit im Erdbau in Tirol?
Die größten Herausforderungen sehe ich im Fachkräftemangel und in den langwierigen, sehr komplexen Verfahrenszeiten. In der Regel dauert es viel länger, alle Genehmigungen zu erhalten, als das Projekt dann umzusetzen.

Welche Auswirkungen hat der Fachkräftemangel auf den Erdbau und wie begegnen Sie diesem Problem?
Der Fachkräftemangel führt leider dazu, dass offene Stellen länger unbesetzt bleiben, Maschinen und Geräte nicht eingesetzt werden können, was wiederum zu allgemein höheren Kosten führt. Wir versuchen, unsere Mitarbeiter selbst in Form eines „Trainings on the Job“ auszubilden, d. h. neue Teammitglieder werden durch erfahrene Teammitglieder auf den Geräten eingeschult. Außerdem legen wir als zukunftsorientiertes Unternehmen sehr viel Wert auf die Generation von morgen und forcieren die Lehrlingsausbildung.
Die gesetzlichen Auflagen für Deponien werden oft als sehr streng empfunden. Wie wirken sich diese Regelungen auf die Arbeit im Erdbau aus?
Die überbordenden Auflagen für Deponien führen dazu, dass das benötigte Deponievolumen teurer wird. Aufgrund der strengen Auflagen kommt es auch zunehmend zu vielen Kleinschüttungen, bei denen jedoch oft nur unzureichende Kontrollen erfolgen. Dies kann einerseits in möglichen Preisverfälschungen resultieren und stellt andererseits auch eine Herausforderung für eine geordnete Materialablagerung dar. Wirtschaftlich rentabel sind meist nur größere Deponien, für die jedoch kaum noch geeignete Flächen zu finden sind – insbesondre im dicht besiedelten Inntal. Gleichzeitig wächst der Widerstand in der Bevölkerung gegenüber neuen Deponie- oder Schüttflächen, was die Standortsuche zusätzlich erschwert. Meiner Meinung nach sollte man ein Deponieaufsichtsorgan bestimmen, das sämtliche Aspekte überprüft und für richtig oder falsch, notwendig oder übertrieben einstufen kann. Es sollte überdacht werden, ob in zukünftigen Bescheiden nicht weniger detaillierte Auflagen vorgeschrieben werden können, um die Umsetzung des Deponiebaus zu erleichtern und unnötige Bürokratie und Kosten zu vermeiden.

Inwiefern stellen bürokratische Anforderungen eine Belastung für die Branche dar? Gibt es Prozesse, die Ihrer Meinung nach effizienter gestaltet werden könnten?
Manche bürokratischen Anforderungen ergeben sicherlich Sinn, denn es wurden in der Vergangenheit nicht immer alle Deponien bescheidkonform betrieben. Durch das EDM-Portal ist eine rechtssichere Basis zur Erfüllung der gesetzlichen Verpflichtungen geschaffen worden. Die Verfahrensdauer muss deutlich verkürzt werden. Selbst einfache Anzeigen dauern oft mehrere Monate. So benötigen beispielsweise Kollaudierungen bis zu sechs Monate, wobei ein Betrieb vor Abschluss nicht möglich ist. Es braucht einen Abbau überbordender Bürokratie: weniger Gutachten, einfachere Einreichungen, weniger erforderliche Unterlagen. Gleichzeitig sind mehr personelle Ressourcen bei den Behörden notwendig, um eine zügigere Bearbeitung zu ermöglichen.
Der Umgang mit Bodenressourcen ist ein sensibles Thema. Wie kann die Balance zwischen notwendigen Bauprojekten und dem Schutz vor Bodenversiegelung gefunden werden?
Besonders bei Starkregenereignissen wird deutlich, welche Folgen eine überm..ige Versiegelung haben kann – etwa Überschwemmungen oder Vermurungen. Ein verantwortungsvoller Umgang mit Boden erfordert daher eine sorgfältige Abwägung zwischen wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Interessen. Im Zusammenhang mit Bodenversiegelung gewinnen Maßnahmen wie die Nachverdichtung bestehender Siedlungsräume und die Umnutzung von Brachflächen zunehmend an Bedeutung. Ebenso wichtig ist die Entsiegelung ungenutzter Flächen sowie eine nachhaltige Raum- und Landesplanung. Ziel muss es sein, eine ausgewogene Balance zu finden: bauen, aber flächensparend und -schonend.
Welche Rolle spielt die Renaturierung im Erdbau?
Die Renaturierung spielt im Erdbau eine sehr wichtige Rolle, da sie beschädigte Flächen nach Bauarbeiten wiederherstellt. Sie hilft, den Boden zu stabilisieren, Erosion zu verhindern und Lebensräume zu schützen. Zudem unterstützt sie den Hochwasserschutz, indem sie natürliche Wasseraufnahme und -speicherung verbessert. So trägt Renaturierung wesentlich zum Umweltschutz und zur Nachhaltigkeit bei.

Wie kann der Erdbau in Tirol nachhaltiger gestaltet werden und welche Ansätze sehen Sie bereits in der Praxis?
Nachhaltigkeit im Erdbau ist uns ein großes Anliegen, weshalb wir versuchen, alle Möglichkeiten, sofern sie finanziell und wirtschaftlich umsetzbar sind, zu verwirklichen. Der Erdbau in Tirol kann umweltfreundlicher werden, wenn man sorgsamer mit Boden und Materialien umgeht und weniger Emissionen verursacht. Wir versuchen, so viel wie möglich der Aushubmaterialien wiederzuverwenden und moderne Technik wie GPS-Maschinen einzusetzen. Das spart Rohstoffe, verkürzt Transportwege und schützt die Natur. Die Dekarbonisierung spielt dabei eine große Rolle. Umweltfreundliche Antriebe, eine gute Baustellenplanung und die Verwendung von Strom aus erneuerbaren Quellen können einen Betrag dazu leisten.
Welche Entwicklungen könnten die Branche in den nächsten Jahren prägen?
Die Baumaschinenhersteller entwickeln neue Antriebssysteme. Auf der Bauma 2025 in München hat man schon viele neue Technologien gesehen, wie zum Beispiel Wasserstoff- und Elektromotoren. Die Entwicklung geht schnell voran, ob es zu einer vollständigen Dekarbonisierung im Erdbau kommt, wage ich zum jetzigen Zeitpunkt zu bezweifeln.
Wie sehen Sie die Zukunft des Erdbaus in Tirol?
Der Erdbau in Tirol wird zukünftig vielfältige Aufgaben haben. Die Anforderungen, um dem Standard gerecht zu werden, werden aber sicher auch höher werden. Es wird zunehmend schwierig, geeignete Deponieflächen sowie Plätze für die Aufbereitung von Aushub und Baurestmassen im Inntal zu finden. Dies führt zu höheren Kosten durch längere Transportwege. Trotzdem ist es besonders wichtig, die Recyclingquote zu erhöhen und mehr Material wiederzuverwenden.